Die scheinheilige Debatte um den Schlagersong "Layla"
Seit Wochen steht auf Platz eins der deutschen Charts ein Song mit dem Titel „Layla“, in dem es unter anderem heißt: „Ich hab’ ’nen Puff und meine Puffmama heißt Layla / Sie ist schöner, jünger, geiler.“
Aufgrund des sexistischen Inhalts haben die Städte Würzburg, Düsseldorf und Herne mittlerweile durchgesetzt, dass der Schlager auf Volksfesten nicht mehr gespielt werden darf. Und so sehr diese Entscheidungen auch zu begrüßen sind: Sie ändern nichts daran, dass das Lied in Clubs oder auf Partys, insbesondere am Ballermann, beinahe stündlich gespielt wird, die Fans begeistert sind und DJ Robin und Schütze, die Macher des Songs, den Sexismus-Vorwurf mit fadenscheinigen Argumenten von sich weisen.
Mittlerweile hat sich sogar Bundesjustizminister Marco Buschmann eingeschaltet. Auf twitter schrieb er: „Man muss Schlagertexte nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten, finde ich, ist eins zu viel.“ Auch die Junge Union Hessen, die das Lied sogar auf ihrem Landestag spielte, scheint das Lied keineswegs problematisch zu finden.
Auf die Frage, ob der Song sexistisch ist oder nicht, muss gar nicht erst eingegangen werden, denn es dürfte offensichtlich sein, dass dieses Lied alles andere als harmlos ist. Solche Tabubrüche darf es heute nicht mehr geben!
Was aber bei der ganzen Diskussion bislang kaum thematisiert wurde: Der Schlager ist nicht nur wegen seines sexistischen Inhalts problematisch, sondern auch wegen der Verherrlichung von Prostitution. Dies geht in der Debatte völlig unter, weil hierzulande sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach Sexarbeit legal ist und dadurch gleichzeitig ermöglicht wird, in herabwürdigender Weise über Prostitution zu singen, zu reden oder Witze zu reißen, als handele sich dabei um einen Beruf wie jeden anderen. Doch genau hier liegt das Problem. Prostitution ist jedoch kein Beruf wie alle anderen auch. Prostitution existiert, weil das Patriarchat die Lust des Mannes über die Würde der Frau stellt. Sie ist weder freiwillig noch Teil der Selbstbestimmung der Frau, sondern nichts anderes als von Staat und Gesellschaft legitimierte Gewalt.
Es ist daher an der Zeit, die Mythen, die sich um Prostitution ranken, zu widerlegen.
Mythen der Prostitution
1. „Prostitution ist ein Beruf wie jeder andere auch.“
Nein, Prostitution ist weder ein Beruf wie jeder andere noch ein harmloser „Spaß“, wie es die Diskussion um „Layla“ suggeriert. Sie ist demütigend und erniedrigend. Der Alltag in der Prostitution ist so gut wie nie selbstbestimmt. Fast alle Prostituierte sind massivem Druck ausgesetzt und leiden unter Ängsten: Angst vor Gewalt von Freiern, Zuhältern oder Bordellbetreibern, Angst vor Schwangerschaft oder Krankheit, Angst vor Ausweisung oder Abschiebung. All diese Ängste sind berechtigt. Das System der Prostitution erniedrigt Frauen systematisch und degradiert sie zu Objekten. Aber mehr noch: Frauen werden von Seiten der Sexkäufer und Zuhälter quasi entmenschlicht. Diese Entmenschlichung ist es auch, die dem Sexkäufer das Gefühl gibt, einen leeren Körper vor sich zu haben, mit dem er machen kann, was er will.
2. „Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt.“
Diese Aussage ist schlichtweg eine Lüge. Das älteste Gewerbe der Welt ist das der Hebamme. Und selbst für den Fall, dass es Prostitution schon immer gegeben hätte, würde sie nicht etwa deshalb weniger problematisch werden. Nur, weil es etwas schon immer gab, ist es noch lange nicht gut. Sklaverei, Kinderarbeit, die Todesstrafe – all diese Phänomene gibt es schon lange, das bedeutet aber nicht, dass sie allein durch die Dauer der Existenz akzeptabel werden.
3. „Die Prostituierten machen das doch freiwillig.“
Auch hier ein klares Nein! Vorausschickend ist festzuhalten, dass sogar die Bundesregierung einräumt, es sei „eine soziale Realität, dass viele Prostituierte sich in einer sozialen und psychischen Situation befinden, in der es fraglich ist, ob sie sich wirklich frei und autonom für oder gegen diese Tätigkeit entscheiden können“ (Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG), 2007). Dennoch gelten nach dem Prostitutionsgesetz auch Prostituierte, die aus solchen Gründen in die Prostitution geraten, als „freiwillige“ Prostituierte. Sie sind es nicht!
Die meisten Prostituierten haben in ihrer Vergangenheit sexuellen Missbrauch oder andere traumatische Gewalt bzw. Vernachlässigung erlitten und dadurch gelernt, zu dissoziieren, sich also „wegzudenken“ und „wegzufühlen“, bis nur noch der Körper als eine Art Hülle übrigbleibt (genauso wird die Prostituierte im Übrigen auch von den Sexkäufern gesehen). Diese Dissoziationen sind Voraussetzung dafür, die bezahlte Vergewaltigung überhaupt ertragen zu können.
Wer sein Leben lang erniedrigt wurde und massive Gewalt erlitten hat, wehrt sich irgendwann nicht mehr – weil die Kraft fehlt oder Gewalt längst zur Realität geworden ist. Und dann bleibt nichts mehr als ertragen, hinnehmen, überleben.
Hinzu kommt, dass Menschen, die schon sehr früh in der Kindheit missbraucht wurden, oft auch später noch das Gefühl haben, die Gewalt, die ihnen angetan wurde oder wird, sei „normal“ oder „nicht so schlimm“ oder sie hätten sie sogar verdient. In der Psychotraumatologie bezeichnet man dies als Täterintrojekte, also die Übernahme der Ansichten des Täters. Denn wenn die gegenwärtige, unerträgliche Situation nicht ausgehalten und auch nicht verändert werden kann, wird das Überleben nur dadurch wahrscheinlicher, dass sich das Opfer genauso verhält, wie der Täter es verlangt. Diese Strategien sind überlebenswichtig, weil ohne sie die erlittene Gewalt nicht zu ertragen wäre.
Aus dieser Verinnerlichung und Übernahme von Tätergedanken resultiert nicht nur ein negatives Selbstbild bis hin zum Selbsthass, sondern auch eine mangelnde Selbstfürsorge. Oft bleiben die Täterintrojekte bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen und verhindern schließlich auch, dass Opfer sich selbst schützen. Denn wie sollen eigene Bedürfnisse und Grenzen wahrgenommen und geschützt werden, wenn sich die Opfer von klein auf in erster Linie auf die Bedürfnisse des Täters einstellen mussten und zugleich ständigen Grenzverletzungen ausgeliefert waren?
Wenn dann auch noch durch Staat und Gesellschaft das Bild vermittelt wird, Prostitution sei ein völlig normaler Beruf und daher „in Ordnung“, werden Täterintrojekte nur noch verstärkt.
Neben bereits erlebter sexualisierter Gewalt, oft von klein auf, erhöhen beispielsweise Obdachlosigkeit, Armut sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch das Risiko, in die Prostitution zu geraten.
Hinzu kommen die vielen Migrantinnen aus ärmeren, vor allem osteuropäischen Ländern wie beispielsweise Bulgarien oder Rumänien, die in der Prostitution oft die einzige Möglichkeit sehen, der Armut zu entkommen und die eigene Familie finanziell zu unterstützen. Viele von ihnen werden sogar von den eigenen Familienmitgliedern nach Deutschland geschickt, um dort in der Prostitution Geld zu verdienen.
Ob psychisch, wirtschaftlich oder durch einen Menschenhändler oder Zuhälter im Hintergrund: Immer geht es um Zwang. Prostitution ist nicht freiwillig! Und sie hat gravierende Folgen. Für Frauen, die schon als Kind sexualisierte Gewalt erlitten haben, ist die Prostitution extrem retraumatisierend. Doch selbst unter Frauen, die bislang keine Gewalterfahrungen machen mussten, sind Traumafolgen infolge der Prostitution weit verbreitet. Dies belegen mehrere Studien. So wurden beispielsweise für die Studie „Prostitution & Trafficking in Nine Countries: An Update on Violence and Post-Traumatic Stress Disorder“ 854 Prostituierte aus neun Ländern befragt. Das Ergebnis: 70-95% der befragten Frauen haben in der Prostitution körperliche Gewalt erlebt, 65% bis 95% wurden in der Kindheit sexuell missbraucht, 60% bis 75% wurden in der Prostitution vergewaltigt, 68% erfüllten Kriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung, deren Ausprägung vergleichbar ist mit der von Kriegsveteranen oder Folteropfern.
4. „Prostitution verhindert Vergewaltigungen.“
Die Annahme, Männer hätten einen anderen bzw. stärkeren Sexualtrieb als Frauen ist zum einen schlichtweg falsch, zum anderen handelt es sich hierbei um eine zutiefst sexistische Vorstellung von Sexualität, bei der Frauen keine eigenen sexuellen Wünsche haben, gleichzeitig aber für den Mann sexuell verfügbar sein sollen. Wir haben alle ein Recht auf unsere Sexualität, aber davon leitet sich kein Recht auf Sex mit anderen ab!
Und nur angenommen, der männliche Sexualtrieb wäre tatsächlich stärker als der von Frauen, würde sich daraus noch immer kein Recht auf Prostitution ergeben. Denn dies würde bedeuten, dass sich Frauen zu opfern haben, um Männern zu ermöglichen, ihre Lust auszuleben; mehr noch: um anderen Frauen sexualisierte Gewalt zu ersparen. Spinnt man diesen absurden Gedankengang weiter, kommt man zu dem Ergebnis, dass letztlich doch wieder die Frauen schuld sind an Vergewaltigungen: weil sie den sexuell aktiven Mann nicht genug befriedigt haben. Es muss endlich Schluss sein mit victim blaming und rape culture. Verantwortung für sexualisierte Gewalt trägt einzig und allein der Täter oder die Täterin, niemals das Opfer!
Der Mythos, Prostitution beuge Vergewaltigungen vor, suggeriert zudem, dass Prostituierte nicht vergewaltigt werden können. Dabei sind gerade Prostituierte einer extrem hohen Gefahr ausgesetzt, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden, und zwar von Zuhältern und Sexkäufern gleichermaßen.
5. „Prostituierte verdienen viel Geld.“
All jene, die mit den Verdienstmöglichkeiten in der Prostitution argumentieren, sollten sich klarmachen, dass Filme wie „Pretty Woman“ nicht die Realität sind. Zwischen 10 und 40 Euro pro Sexkäufer verdient eine Frau auf dem Straßenstrich. Die „Mietkosten“ für Bordellwohnungen oder Wohnwägen sind dagegen mit 120 bis 180 Euro pro Tag extrem hoch.
Und selbst für den Fall, dass Prostituierte viel Geld verdienen würden: Existenzsicherung um den Preis von Erniedrigung, Missbrauch und Gewalt bleibt inakzeptabel.
6. „Würde man Prostitution verbieten, gäbe es sie immer noch, nur ließe sie sich dann weniger gut kontrollieren.“
Auch dieses „Argument“ ist beinahe lächerlich. Genauso gut könnte man sagen: Wir müssen Körperverletzung, Diebstahl oder Mord legalisieren, damit sie nicht in den illegalen und damit schwerer zu kontrollierenden Bereichen der Gesellschaft stattfinden.
Statt also die Prostitution weiterhin als legal anzusehen und damit Menschenhändlern und Zwangsprostitution Tür und Tor zu öffnen, muss Prostitution endlich als das angesehen werden, was sie ist: Gewalt. Und als solche muss sie geahndet werden.
Es lohnt sich insofern, einen Blick auf die Folgen der Legalisierung der Prostitution zu werfen, wie sie hierzulande seit Einführung des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 zu beobachten sind.
Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes in Deutschland:
Zuhälter, Menschenhändler und der damit zusammenhängende Bereich der organisierten Kriminalität können durch das Prostitutionsgesetz von 2002 und das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 besonders gut die legalen Rahmenbedingungen zur Ausbeutung nutzen. Die deutsche Gesetzgebung ist der perfekte Nährboden für Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Zwangsprostitution.
Die Nachfrage nach käuflichem Sex ist seit Einführung des Prostitutionsgesetzes massiv gestiegen (vgl. Seo-Young Cho, Axel Dreher, Eric Neumayer: „Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking?”, World Development, 41 (1), 2013, pp. 67-82). Und wenn die Nachfrage steigt, muss in einem kapitalistischen System zwangsläufig auch das Angebot erhöht werden. Dieses Angebot liefern Menschenhändler und Zuhälter, indem sie möglichst viel „Ware“ in Gestalt von Frauenkörpern in die Prostitution bringen. Legalisierung erzeugt also eine Spirale nach oben. Und es wird niemals genug Frauen geben, die sich freiwillig dazu entscheiden, sich zu prostituieren. Wer das System Prostitution unterstützt, unterstützt daher immer auch die Zwangsprostitution.
Hinzu kommt, dass die Legalisierung der Prostitution ein Gesellschaftsbild fördert, das Frauen signalisiert, sie müssten Männern jederzeit – und ohne dabei auf ihre Grenzen zu achten – sexuell zur Verfügung stehen. Männern dagegen wird suggeriert, sie bräuchten regelmäßigen Sex, um nicht zu anderen, strafbaren Formen der sexualisierten Gewalt zu greifen. Dabei handelt es sich um nichts anderes als Vergewaltigungsbotschaften – und zwar solche, die staatlich legitimiert sind.
Dass die Legalisierung der Prostitution die Situation der betroffenen Frauen keineswegs verbessert hat, hat im Übrigen auch Bundesregierung erkannt. So heißt es im Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG), unter anderem: „Hinsichtlich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Prostitution konnten kaum messbare positive Wirkungen in der Praxis festgestellt werden (…). Die Ausstiegsmöglichkeiten aus der Prostitution sind durch das Prostitutionsgesetz nicht erkennbar verbessert worden. Für einen kriminalitätsmindernden Effekt des ProstG gibt es bislang keine belastbaren Hinweise.“
Es ist also offenkundig, dass sich die Lage von Prostituierten – im Gegensatz zu der von Sexkäufern, Bordellbetreibern, Zuhältern und Menschenhändlern – mit der Legalisierung von Prostitution keineswegs gebessert hat. Umso mehr erstaunt es, dass keine einzige Partei im Bundestag ein Sexkaufverbot in ihrem Parteiprogramm fordert und das Thema nicht schon längst öffentlich debattiert wird. Es wäre ein Leichtes, zu erklären, die Einführung des Prostitutionsgesetzes sei ein Fehler gewesen, man sich geirrt habe und werde nun nach einer Lösung suchen. Doch nichts passiert, weshalb sich die Vermutung aufdrängt, dass es schlicht und einfach an dem politischen und gesellschaftlichen Willen fehlt, den Kauf von Frauenkörper zu verbieten. Dies vermutlich deshalb, weil Sexkäufer in allen Gesellschaftsschichten zu finden sind, weil Männer noch immer annehmen, Macht über Frauen ausüben zu dürfen, weil noch immer die Augen verschlossen werden und weil es sich leichter lebt mit der Annahme, Prostitution sei ein Job wie jeder andere. Es ist beschämend, dass unsere Gesellschaft eher bereit ist, massive Gewalt gegen Frauen hinzunehmen (insbesondere auch gegen Frauen aus anderen Herkunftsländern, weshalb das Ganze im Übrigen auch eine rassistische Komponente aufweist), als einen Fehler zuzugeben und patriarchale Strukturen zu hinterfragen. Ansonsten lässt sich nämlich nicht erklären, warum das Thema nicht schon längst in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt wurde, zumal die Lösung auf der Hand liegt.
Die Lösung: Das abolitionistische Modell
Schweden war 1999 das erste Land, das durch die Einführung des Sexkaufverbots die Gleichberechtigung der Geschlechter vorangebracht hat. Daher wird das abolitionistische Modell oft auch als schwedisches bzw. nordisches Modell bezeichnet. Dieses Modell besteht aus drei Säulen: Entkriminalisierung der Prostituierten, Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber sowie Finanzierung von Ausstiegsprogrammen für Prostituierte.
Folgende Länder haben das abolitionistische Modell schon in die Praxis umgesetzt: Schweden (1999), Norwegen (2009), Island (2009), Kanada (2014), Nordirland (2015), Frankreich (2016), Irland (2017), und Israel (2020). In jedem dieser Länder nimmt das Modell eine andere Form ein, so gibt es beispielsweise Unterschiede bei der rechtlichen Einordnung des Sexkaufs als Ordnungswidrigkeit oder Straftat, aber der Grundgedanke bleibt.
- Entkriminalisierung der Prostituierten
Da Prostitution hierzulande bereits legal ist, sind Prostituierte ohnehin schon entkriminalisiert.
- Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber
Sexkäufer schaffen durch ihre Nachfrage nach käuflichem Sex den Markt sowohl für Prostitution als auch für die sexuelle Ausbeutung von Frauen. Hier setzt das abolitionistische Modell an, indem es die Nachfrage in den Fokus der Gesetzgebung rückt. Sexkäufer werden bestraft, Dritte dürfen von der Prostitution anderer nicht mehr profitieren. Zwar wird durch ein solches Sexkaufverbot Prostitution nicht von jetzt auf gleich verschwinden, das ist bei Gesetzen gegen Diebstahl und Mord aber auch nicht der Fall. Hinzu kommt, dass Gesetze auch eine normative Wirkung haben. In Schweden konnte beispielsweise beobachtet werden, dass sich das gesellschaftliche Bild von Prostitution seit Einführung des abolitionistischen Modells geändert hat. So ist der Sexkauf dort nicht nur verboten, sondern mittlerweile auch gesellschaftlich geächtet. Und an diesen Punkt muss auch unsere Gesellschaft zwingend kommen. Der Fokus muss auf den Sexkäufer gerichtet werden, weil er das Problem ist. Er ist Folge einer patriarchalen Geschlechtserziehung, in der suggeriert wird, es sei in Ordnung, Frauen wie Objekte, wie Waren, wie Dreck zu behandeln.
- Finanzierung von Ausstiegsprogrammen für Prostituierte
Die dritte Säule des abolitionistischen Modells wird in Diskussionen häufig vernachlässigt, auch sie ist aber ein fundamentaler Bestandteil des gesetzgeberischen Modells. Denn Betroffene brauchen Ausstiegsprogramme und massive Unterstützung – sowohl in finanzieller als auch in psychologischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Ausstiegsprogramme müssen für alle Prostituierten zur Verfügung stehen, nicht nur für Deutsche, sondern ebenso für EU-Bürgerinnen und Frauen aus Drittstaaten. In Deutschland werden hauptsächlich ausländische Frauen von deutschen Männern sexuell ausgebeutet, daher müssen wir als Gesellschaft auch Gelder bereitstellen, um diese Frauen dabei zu unterstützen, Alternativen zu finden, und mit den seelischen und körperlichen Folgen der Prostitution umzugehen.
Fazit und Ausblick:
Neben der zwingend erforderlichen Einführung des abolitionistischen Modells ist es wichtig, dass wir endlich aufhören, die Augen zu verschließen vor dem, was wir nicht sehen wollen. Wer noch immer meint, Prostitution sei ein völlig normaler Beruf, der kann sich ja mal in den vielen sogenannten Freierforen umschauen. Dort gibt es den „anonymen Ficktest“, in dem Frauen bewertet werden wie Artikel, die man im Internet bestellt. So heißt es dann zum Beispiel:
„Beim Reiten war sie so trocken, dass nix ging, ständig gähnte sie und war abwesend. Am liebsten hätte ich das ganze Trauerspiel nach 5 MIN. abgebrochen, aber Geld gabs auch nicht zurück. (…) Leute spart euch die Kohle (…) ihr tut der Dame noch was Gutes, denn nach freiwilliger Sexarbeit sah das nicht aus.“
„Sie blies dann sehr lustlos aber ich habe es irgendwie geschafft einen Ständer zu bekommen anschließend in die Missio und sie hat sich so positioniert dass man nicht sonderlich tief in sie eindringen konnte und natürlich war ihre Hand dort um den Penis zu halten, was sehr störend ist habe sie immer wieder weg gemacht aber so wie sie weg war so war sie auch wieder dort. Habe dann massiv in sie rein gehämmert getreu dem Motto: Mit dem Kopf durch die Wand.“
Diese Foren sind voll von „Testberichten“, „Warnungen“, von „Empfehlungen“ und von Vergewaltigungsschilderungen, die nur schwer zu ertragen sind.
Doch es ist wichtig, hinzusehen. Leider werden gerade im Bereich der sexualisierten Gewalt noch immer die Augen verschlossen. Und dann ist es natürlich leicht, zu behaupten, Prostitution sei ein normaler Beruf und „in Ordnung“. Doch gerade das ist das Problem: Dieses nicht „hinsehen wollen“ ist letztlich nämlich Ausdruck einer völligen Gleichgültigkeit für das Schicksal und das Leid Anderer.
Hinzu kommt, dass es wichtig ist, zu wissen, worum es geht, auch um das Leid von Frauen in Zukunft zu verhindern. Wir müssen die Augen öffnen, hinschauen und auch die psychologischen Phänomene benennen, weil es betroffenen Frauen hilft, zu wissen, dass sie gesehen werden und dass es anderen genauso geht. Wir als Gesellschaft tragen einen großen Teil der Verantwortung und der Schuld für diese Mechanismen, wenn wir noch immer so tun, als sei Prostitution ein Beruf wie jeder andere.
Vor allem junge Menschen haben das Recht, über all diese Realitäten aufgeklärt zu werden. Kinder und Jugendliche müssen die Möglichkeit und die Chance bekommen, sich selbst vor Ausbeutung und Gewalt zu schützen. Dies können sie nur, wenn sie aufgeklärt sind, und wenn vor Prostitution an sich gewarnt wird, statt diese als „Sexarbeit“ zu verharmlosen oder als „Spaß“ abzutun. In diesem Zusammenhang muss auch immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Menschenhandel und Zuhälterei oft durch den eigenen Partner, Vater oder Onkel geschieht. Aufklärung bedeutet, Mädchen und junge Frauen vor Gewalt zu bewahren und ihnen Strategien, Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfestellungen an die Hand zu geben. Aufklärung bedeutet aber auch, Jungs und junge Männer darauf hinzuweisen, dass Prostitution in der Regel Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Zwangsprostitution und Gewalt ist.
Um nun zurückzukommen zu all jenen, die dieses prostitutionsverherrlichende Lied vor sich hin grölen oder meinen, es sei doch nur ein Spaß (so wie Prostitution eben auch): Ihnen sei ein Ratschlag der französischen Juraprofessorin und Autorin Muriel Fabre-Magnan mit an die Hand zu geben. Sie ist nämlich der Meinung, diejenigen, die behaupten, Prostitution sei ein Job wie jeder andere, sollten verpflichtend eine Nacht lang zwanzig Freier auf der Straße bedienen. Meiner Meinung nach würde schon ein einziger genügen. Eine einzige ungewollte Penetration. Eine einzige bezahlte Vergewaltigung. Dies ist keinem zu wünschen, aber ich bin sicher, dass es uns einen großen Schritt weiterbringen würde auf dem Weg zu einer dringend nötigen Kriminalisierung aller Sexkäufer, Zuhälter, Bordellbetreiber und damit zu einer Gesellschaft, in der niemand mehr meint, Anrecht auf einen fremden Körper zu haben.
Ja, das ist so wahr! Ich glaube, dass SPD und Grüne es damals gut gemeint haben, aber wenn man sieht, welche Folgen das Gesetz hat, muss man daraus doch Konsequenzen ziehen. Und dann eben auch mal Fehler eingestehen…