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Misogynie als Gemeinschaftserlebnis

Frauenrechte, Feminismus, Menschenrechte

Die Hasskampagne gegen Amber Heard

In den USA hat der Supreme Court kürzlich das Abtreibungsrecht gekippt und beinahe zeitgleich das Tragen von Schusswaffen als Grundrecht anerkannt. Der Krieg in der Ukraine nimmt kein Ende. Die Erderwärmung hat einen „Point of no return“ erreicht. Dies sind nur einige der Ereignisse und Entwicklungen, die aktuell unseren Einsatz und unsere Aufmerksamkeit verlangen.

Im Gegensatz dazu wirkt das nunmehr abgeschlossene Gerichtsverfahren zwischen den Schauspieler:innen Amber Heard und Johnny Depp zunächst einmal wie eine Lappalie. In Wahrheit ist der Prozess aber viel mehr als ein belangloser Streit zwischen geschiedenen Eheleuten, nämlich eine beinahe verschwörungsideologisch anmutende, großangelegte misogyne Hasskampagne und damit ein massiver Backlash gegen #MeToo.

Verfahren vor einem Millionenpublikum
Alles fing damit an, dass Amber Heard im Dezember 2018 in der Washington Post einen Artikel veröffentlichte, in dem es unter anderem heißt: „Vor zwei Jahren wurde ich zu einer öffentlichen Repräsentantin von häuslicher Gewalt.” Diese Aussage bezog sich darauf, dass Heard im Zusammenhang mit der Trennung von ihrem Ehemann Johnny Depp eine einstweilige Verfügung wegen häuslicher Gewalt gegen ihn erwirkt hatte. In ihrem Artikel bezeichnete sie sich jedoch weder selbst als Gewaltopfer, noch nannte sie den Namen „Johnny Depp“.

Im Grunde hätte die ganze Geschichte hier enden können – wäre da nicht Johnny Depp gewesen, der seine Ex-Frau im Anschluss an die Veröffentlichung des Artikels wegen Verleumdung verklagte und eine Entschädigung in Höhe von 50 Millionen Dollar verlangte. Heard erhob Gegenklage. Daraufhin warfen sich beide Seiten physische und psychische Übergriffe vor, Heard bezichtigte ihren Ex-Ehemann zudem der sexuellen Gewalt.

Auf den ersten Blick mutet es befremdlich an, dass Depp das Verfahren überhaupt anstrengte, schließlich hatte er im Jahr 2020 bereits einen ähnlichen Prozess gegen die britische Zeitung „The Sun“ verloren – mit dem Ergebnis, dass das Boulevardblatt ihn weiterhin als „Ehefrauenschläger“ bezeichnen darf. Doch Depp, der in die Jahre gekommene Schauspieler, wusste genau, wie er vorzugehen hatte, um – trotz der klaren Beweislage – als großer Gewinner aus dem Prozess zu gehen: Er bezog die Öffentlichkeit mit ein und holte sich auf diesem Wege seine weltweite Fangemeinde quasi als zusätzliches, inoffizielles Geschworenengericht dazu. Die Fans spielten mit, ein Großteil der Medien ebenfalls. Der Hashtag #JusticeforJohnnyDepp wurde innerhalb kürzester Zeit über zehn Milliarden Mal aufgerufen. Auf Internetplattformen wie Twitter, Instagram, reddit und TikTok finden sich Meinungsäußerungen, die an misogyner Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten sind. Für die Öffentlichkeit stand die Schuldige von Anfang an fest.

Der Prozess selbst hat mittlerweile ein Ende genommen. Am 01.06.2022 befand die Jury in Fairfax, Virginia, Amber Heard für schuldig, ihren Ex-Ehemann Johnny Depp diffamiert zu haben, und sprach ihm 10 Millionen Dollar Schadensersatz zu. Auch Heard soll laut Jury von Depp verleumdet worden sein, ihr wurden allerdings nur zwei Millionen Dollar zugesprochen.

Mehr Beweise als in anderen MeToo-Fällen
In der öffentlichen Berichterstattung zeigt sich ein Hass gegen Amber Heard, der jeder sachlichen Argumentationslinie entbehrt. Die Fakten sprechen nämlich eine gänzlich andere Sprache. Wie beispielsweise der Journalist Michael Hobbes ausführt, ist die Beweislage eindeutig auf der Seite von Amber Heard, die 13 von 14 Missbrauchsvorwürfen anhand von Zeug:innen, Fotos, Nachrichten oder Tagebucheinträgen belegen kann. „Heard hatte mehr Beweise zu ihren Gunsten als die überwiegende Mehrheit der Missbrauchsopfer und der Großteil der gefeierten, weithin akzeptierten MeToo-Fälle“, schreibt Hobbes.

So wurden vor Gericht Textnachrichten analysiert, die Depp vor seiner Hochzeit mit Heard verschickt hatte – darin nennt er seine zukünftige Ehefrau unter anderem „wertlose Nutte“ und beschreibt, wie er „die hässliche Fotze herumschlagen wird.“ In einer weiteren Nachricht an einen befreundeten Schauspieler heißt es: „Lasst uns sie ertränken, bevor wir sie verbrennen!!! Ich werde ihre verbrannte Leiche danach ficken, um sicherzugehen, dass sie wirklich tot ist.“ Dass es bei dieser Nachricht um Amber Heard geht, hat Depp gestanden. In einer Audioaufnahme richtet Depp folgende Worte an Heard: „Halt die Klappe. Tu nicht verdammt noch mal so, als wärst du autoritär mit mir. Du existierst nicht.“ 

Die Journalistin Jessica Winter vom New Yorker nannte Depps zynische Strategie, die Missbrauchsvorwürfe seiner Ex-Frau zu diskreditieren, einen „weltweit ausgestrahlten Racheporno“, welcher zum Ziel hat, Heard für immer zu zerstören – und Johnny Depp im Gegenzug ein Comeback zu bescheren.

Ungeachtet der Beweislage heißt es dagegen von Depps Anwält:innen, Heard habe die Missbrauchsvorwürfe frei erfunden. Begründet wird dies wie folgt: wenn Heard „wirklich“ ein Opfer von Missbrauch gewesen wäre, hätte sie sich früher an die Öffentlichkeit wenden und schwerere Verletzungen erleiden müssen. In einem „echten“ Missbrauchsfall hätte es nach Ansicht der Anwält:innen darüber hinaus mehrere Krankenakten gegeben, die die erlittene Gewalt dokumentieren.

All diese Behauptungen verhöhnen jeden Menschen, der schon einmal Opfer von häuslicher oder sexualisierter Gewalt geworden ist. Denn die Argumentation verkennt völlig, dass die Hemmungen, nahestehende Personen anzuzeigen, gerade in diesem Bereich besonders groß sind. Dementsprechend ist auch die Meldequote gering. Viele Betroffene sprechen aus Scham mit niemanden über die Tat.

Darüber hinaus passiert es immer noch häufig, dass Frauen eine Mitschuld an der Tat gegeben oder ihnen schlicht und einfach nicht geglaubt wird. Der Mythos der „Falschanzeigen“ ist allgegenwärtig und findet sich in nahezu jeder Berichterstattung zu Vergewaltigungsfällen wieder. So auch in dem Prozess gegen Amber Heard. Im Kreuzverhör beschuldigten sie Depps Anwält:innen, die erlittene Gewalt lediglich erfunden und sich zu diesem Zweck blaue Flecken aufgemalt zu haben. Um diese Behauptungen zu stützen, befragten sie Zeug:innen, die aussagten, Heard ohne Prellungen gesehen zu haben. Bekannte von Heard sagten aus, dass sie ihnen nie von dem Missbrauch erzählt habe. Dies mag sein. Allerdings wird bei der Einordnung dieser Angaben in keinster Weise beachtet, dass Schweigen und Verheimlichen mit erlittener sexualisierter Gewalt beinahe zwangsläufig einhergehen; insbesondere dann, wenn der Täter oder die Täterin eine nahestehende Person ist.

Eine Lehrstunde in Sachen victim blaming
Die Öffentlichkeit hat die Aussagen von Depps Anwält:innen augenblicklich aufgegriffen – ohne diese auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Stattdessen ignorieren Online-Kommentator:innen und zahlreiche vermeintlich seriöse Medien die Beweislage weitestgehend, während sie sich gleichzeitig auf jede noch so kleine Ungereimheit in Heards Aussagen stürzen und sich zu selbsternannten Expert:innen für Mimik und Körpersprache erklären. Jeder Blick, jeder Gefühlsausbruch und jede einzelne Handbewegung Heards wird analysiert, nur um anschließend festzustellen, Heard sei eine Psychopathin oder Narzisstin, sie leide unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und gehöre – am besten lebenslänglich – in die Psychiatrie. Diese Ferndiagnosen werden im Übrigen nicht von Psycholog:innen oder Psychiater:innen gestellt, sondern von Menschen, die augenscheinlich über keinerlei psychologisches Grundwissen verfügen, denn sonst wären ihnen auch das Stockholm-Syndrom oder die Traumabindung ein Begriff.

Kurz zur Erklärung: In einer intimen Beziehung, in der die Verhaltensweisen des Partners inkongruent und nicht verlässlich sind – in einem Moment ist er gewalttätig, kurz darauf zeigt er womöglich Scham über die begangene Tat und wirkt dadurch verletzlich – meint die Partnerin häufig, dem Täter helfen zu können (was Heard mehrfach, insbesondere in Bezug aufs Depps Drogenkonsum, ausgesagt hat). Diese Vorstellung, den Partner quasi „retten“ zu können, wird genährt durch mögliche Einsichten und Besserungswünsche des Täters, aber auch durch Vorwürfe an die Partnerin, sie habe durch ihr Verhalten zur Aggression beigetragen. Das Opfer der häuslichen Gewalt muss einen Weg finden, damit umzugehen, dass sie in ihrem Zuhause jederzeit grundlos angegriffen werden kann, und hierbei hilft ihr die eigene Psyche, indem sie das Opfer in dem Glauben belässt, es könne aktiv mit seinem Verhalten zu einer Verbesserung der Situation beitragen.

Auf diese psychologischen Mechanismus gehen die Kommentator:innen, die sich mit dem Prozess gegen Amber Heard befassen, jedoch in keinster Weise ein. Auch auf die Idee, dass die eigene Interpretation von der medialen Berichterstattung geprägt ist, kommen leider die Wenigsten.

Beinahe euphorisch werden bis heute Heards Zusammenbrüche, ihre Aussagen und Gesichtsausdrücke im Gerichtssaal nachgeahmt. Auf YouTube werden Zusammenschnitte des Prozesses hochgeladen, in denen Depp und seine Anwält:innen Heard vorführen. Ausgehend von Johnny Depps Aussagen vor Gericht sammeln Fans „Beweise“, die belegen sollen, dass Heard eine Kampagne gegen ihren Ex-Partner von langer Hand geplant hat. Die blauen Flecken seien Make-Up gewesen, die Nachrichten und Fotos zu den Übergriffen Fälschungen. Ein Video, auf dem sich Heard im Gerichtssaal die Nase putzt, kursiert auf Twitter als vermeintlicher Beweis dafür, dass die Schauspielerin im Gerichtssaal Kokain ziehe.

Unter Hashtags wie #AmberHeradIsALiar, #AmberHeardIsAPsychopath, #MePoo, #AmberTurd und anderen werden Heard auf twitter psychische Krankheiten unterstellt, es wird zum Boykott ihrer Filme aufgerufen und gefordert, sie für immer in den Knast oder die Psychiatrie zu stecken. Heard wird zum skrupellosen Monster stilisiert. Der Hass, der ihr entgegengebracht wird, ist schwer zu ertragen.

 Die Öffentlichkeit als zusätzliche Geschworene
Doch wie konnte Heard diesen eindeutigen Fall überhaupt verlieren? Diese Frage wirft auch Michael Hobbes auf und beantwortet sie wie folgt:  „Juryfehler.“ Seiner Ansicht nach sei das Urteil bereits in dem Moment gefallen, in dem der Richter den Fall im Fernsehen übertragen ließ.

Und ja, selbstverständlich beeinflusst eine solch groß angelegte Kampagne auch die Jurymitglieder. Die Juror:innen hatten während des gesamten Prozesses freien Zugang zu sämtlichen Kommentaren, Memes und Zusammenschnitten im Internet. Es war also möglicherweise nicht der Prozess, der die Medien beeinflusste, sondern umgekehrt. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass in dem Verfahren gegen die britische „Sun“ keine Jury, sondern ein Berufsrichter die Entscheidungskompetenz hatte. Der Richter war zu dem Ergebnis gekommen, die Vorwürfe von Heard gegen Depp seien größtenteils bewiesen.  Im Gegensatz dazu ist der aktuelle Prozess – um Hobbes‘ zutreffende Einschätzung zu zitieren – vielmehr eine „Anleitung, wie man Opfern die Schuld gibt.“ 

Heard musste sich im Gerichtssaal von den Zuschauer:innen auslachen lassen, während sie von der erlittenen Gewalt berichtete, es wurde öffentlich eine Liste ihrer vergangenen Partner:innen analysiert, zudem wurde sie in einem Atemzug als unzurechnungsfähig und psychisch labil dargestellt, ihr jedoch zugleich vorgeworfen, andere zu manipulieren. Dies sind klassisch misogyne Narrative, die seit Jahrhunderten eingesetzt werden, um Frauen zu pathologisieren.

Reaktionäre Kräfte nutzen den Prozess nun auch, um eine Mobilmachung gegen #MeToo und Frauen im Allgemeinen zu betreiben. So hat eine Recherche des VICE-Magazin ergeben, dass das rechtsradikale News-Outlet „The Daily Wire“ mehrere zehntausend Dollar in die Werbung für die antifeministische Berichterstattung zum Prozess investiert hat.

Antifeministischer Backlash
Es geht bei der Hasskampagne gegen Amber Heard in erster Linie darum, die MeToo-Kampagne und die Glaubwürdigkeit von Opfern sexualisierter und häuslicher Gewalt generell in Frage zu stellen – und leider genügt schon ein kurzer Blick auf twitter, tiktok oder reddit, um festzustellen, dass dies bereits gelungen ist. Denn dort wird Amber Heard öffentlich dafür verantwortlich gemacht, dass man auch anderen Frauen in Zukunft nicht mehr glauben dürfe.

Dass es nun ausgerechnet Amber Heard trifft, hängt auch damit zusammen, dass sie nicht das „perfekte“ Opfer darstellt. Ein solches perfektes (und damit gesellschaftlich akzeptiertes) Opfer muss den Idealvorstellungen von Weiblichkeit entsprechen – und diese Ideale heißen: Heterosexualität, moralisch einwandfreies Verhalten, Zurückhaltung. Zudem muss sich ein perfektes Opfer unbedingt wehren, nach der erlittenen Gewalt sofort zur Polizei gehen, den Körper unmittelbar danach untersuchen lassen. Das sind – unabhängig davon, dass genau dies Opfern sexualisierter Gewalt aufgrund von Scham- und Schuldgefühlen oft psychisch nicht möglich ist – die Narrative von Rape Culture, einer „Vergewaltigungskultur“ also, die die Verantwortung für Vergewaltigungen ganz oder zumindest teilweise den Opfern (in der Regel Frauen) zuschiebt, indem ihnen beispielsweise vorgeworfen wird, eine Vergewaltigung durch die Wahl ihrer Kleidung, durch ihr Verhalten oder anderweitig provoziert zu haben (victim blaming).

Genau dies geschieht aktuell mit Amber Heard, und zwar durch Depps Anwält:innen, in der medialen Berichterstattung und in Form von Memes und Kommentaren auf twitter, tiktok und co. – nicht nur, weil sie eine Frau ist, sondern auch, weil sie eben gerade nicht das „perfekte“ Opfer ist. Auch sie hatte Wutausbrüche, auch sie hat gelogen, auch sie war gegenüber Johnny Depp übergriffig und beleidigend. Zudem hatte sie vor Johnny Depp mehrere Sexualpartner:innen. Damit ist sie in den Augen der Öffentlichkeit selbst schuld, dadurch kann der Hass, der ihr entgegenschlägt, legitimiert werden.

Diese Form von Frauenverachtung, die aktuell zu beobachten ist, ist jedoch – und genau das ist das Problem – gesellschaftlich fest verankert.  Die patriarchalen Machtverhältnisse basieren auf der systematischen Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen und sind für heterosexuelle, cisgeschlechtliche Männer Teil ihrer Identität. Indem Heard nicht nur irgendeinen, unbekannten Mann, sondern einen Megastar kritisiert hat, der quasi als „männliches Idealbild“ fungiert, hat Heard in den Augen des Patriarchats einen Angriff auf alle heterosexuellen, cisgeschlechtlichen Männer unternommen. Der Vorwurf dahinter: Sie solle doch froh sein, eine Beziehung zu einem viel älteren, berühmteren, mächtigeren Mann zu führen und von ihm begehrt zu werden. Und da würde es sich doch gehören, ein makelloses Verhalten an den Tag zu legen. Doch genau das hat Amber Heard nicht getan. Sie hat sich gewehrt – sowohl körperlich als auch verbal -, die Scheidung eingereicht und schließlich ihre (verständliche) Wut nach außen getragen. Und eine solch „aufmüpfige“ Frau, die zudem noch bisexuell und sexuell aktiv ist, hat es in den Augen eines Großteils der Gesellschaft nicht anders verdient.

Der Tenor ist der folgende: Wenn es diese gerade einmal 36-jährige Frau wagt, den über zwanzig Jahre älteren und doch so sympathischen Weltstar Johnny Depp zu kritisieren, geschieht es ihr nur recht, dass er sie als „hässliche Fotze“, „schmutzige Hure“ oder „wertlose Nutte“ bezeichnet. Wir leben schließlich im Patriarchat und da wird man(n) so etwas doch wohl noch sagen dürfen.

In diesem Zusammenhang muss auch Depps generelle Verachtung Frauen gegenüber thematisiert werden. So verteidigte er Roman Polanski und Harvey Weinstein und auch die Freundschaft zu Marylin Manson hat keineswegs darunter gelitten, dass diesem von seiner Ex-Partnerin Evan Rachel Wood und zahlreichen andere Frauen massive sexuelle Gewalt vorgeworfen wurde.

All dies wird jedoch von der Öffentlichkeit weitestgehend ignoriert, stattdessen wird Depp gefeiert und unterstützt. Während des laufenden Prozesses sammelten sich vor dem Gerichtsgebäude zahlreiche Fans, um Johnny Depp anzufeuern. Diese vehemente und völlig unkritische Verteidigung Depps, welche mit dem Hass gegen Heard denklogisch einhergeht, stellt vermutlich auch eine Verteidigung und Rechtfertigung der eigenen Frauenverachtung dar. Heard wird stellvertretend für alle Frauen attackiert, die es gewagt haben, Konsequenzen für das übergriffige und gewalttätige Verhalten mächtiger Männer der Filmindustrie zu fordern.

Heard hatte sämtliche Beweise auf ihrer Seite, dennoch war der Prozess von Anfang an entschieden. Mittlerweile ist sie nicht nur finanziell, sondern auch gesellschaftlich ruiniert und es ist davon auszugehen, dass dieser Prozess auch das Ende ihrer Karriere darstellen wird.  Johnny Depp, der berühmte und sympathische Schauspieler, der gegenüber einem Freund davon fantasierte, Heard zu verbrennen und ihre Überreste zu vergewaltigen, wird dagegen bejubelt wie nie zuvor. Die Rollen sind klar verteilt. Doch Depp ist nicht der einzige Gewinner des Prozesses. Vielmehr haben die antifeministischen Kräfte gewonnen, welche das Verfahren genutzt haben, um sämtliche Errungenschaften von fünf Jahren #MeToo rückgängig zu machen und die Mechanismen von rape culture, slutshaming und victim blaming in der Gesellschaft zu verankern. Der Prozess zwischen Amber Heard und Johnny Depp ist damit nicht nur eine groß angelegte misogyne Kampagne gegen eine einzelne Frau, sondern gegen alle Frauen.

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